Wissenschaftliche Kokosölstudien: Was ist dran?

Die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten von Kokosöl, von denen einige mit eigens entwickelten X vergleichbar sind (und das in den meisten Fällen nebenwirkungsfrei), klingen für einige Leute zu gut um wahr zu sein. Da Kokospflanzen hierzulande nicht heimisch sind, wird schlichte Verkaufsförderung unterstellt. Zahlreiche medizinische Studien, nahmen sich jedoch seit Jahrzehnten den volksmedizinischen Einsatzgebieten des Kokosöls an und testeten diese auf wissenschaftliche Belegbarkeit.

Einen kleinen Teil dieser Studien möchten wir hier in einer verständlichen Zusammenfassung darstellen, um den Kokosölhype auf die Probe zu stellen.

Kokosöl gegen Pilzinfektionen

Der Pilz Candida albicans ist ebenfalls als wichtiger Auslöser von Karies, aber auch von Infektionen im Genitalbereich besonders bei Babies bekannt. Obwohl Teil der normalen gastrointestinalen Mikroflora führt ein systemischer Befall, z.B. unter immunsupprimierenden Bedingungen, mit diesem Pilz sogar zu 40% zum Tod.
Im Frühjahr letzten Jahres wies eine Studie nach, daß Kokosöl gegen Candida albicans in vitro (d.h. in einer Zellkultur) die gleiche gute Wirkung aufweist wie die klassischen funghiziden Mittel Ketoconazol und Chlorhexidin (Shino B et al, 2016).
Auch in vivo wirkt Kokosöl fungizid - die Fütterung von Mäusen mit Kokosöl konnte die gastrointestinale Besiedlung - d.h. des Magen-Darm-Traktes - mit dem Pilz Candida albicans signifikant im Gegensatz zur Untermischung anderer Fette (Rindertalg, Sojabohnenöl) verringern. Selbst in Kombination mit Rindertalg konnte Kokosöl die Kolonisierung mit dem Pilz verringern (Gunsalus KT et al, 2015). Übertragen auf uns Menschen könnte u.U. davon auszugehen sein, dass für einen positiven Effekt durch Kokosöl nicht die gesamte Ernährung komplett umgestellt werden muss, sondern schon die gelegentliche Beimischung von Kokosöl genügt.

Kokosöl gegen bakterielle Mundinfektionen

Ein weit auf der Welt verbreitetes Hausmittel zur Verbesserung der Mundflora und gegen bakterielle Infektionen ist die Spülung des Mundes mit Öl. Hierzu werden verschiedene Öle minutenlang bis zu einer halben Stunde im Mund behalten und wieder und wieder durch die Zähne gezogen. Diese alte Tradition wurde jedoch bislang nicht wissenschaftlich untermauert.
Erst jetzt, im Januar letzten Jahres, wies erstmals eine medizinische Studie einen von der Schulmedizin anerkannten Effekt von Kokosöl gegen Mundbesiedlung mit dem Bakterium Streptococcus mutans - bei fast jedem Menschen im Speichel vorhanden und der Hauptverursacher von Karies - nach. Hierzu wuschen sich Probanden den Mund regelmäßig entweder mit Kokosöl oder einer künstlichen chemischen Verbindung - dem zahnmedizinischen Antiseptikum Chlorhexidin. Es zeigte sich, daß die Spülung mit Kokosöl die gleiche bakterizide Wirkung wie das Medikament aufweist (Kaushik M et al, 2016).

Warum wirkt Kokosöl überhaupt antiseptisch?

Kokosöl enthält den natürlich Inhaltsstoff Monolaurin. Dieser kommt natürlicherweise auch in hohen Dosen in Muttermilch vor, wo er eine antimikrobische Wirkung entfaltet (Clarke NM et al, 2000).
Monolaurin wirkt aufgrund seiner Strukturformel mit hydrophobem und hydrophilem Teil wie Seife, d.h. tensidisch, und kann so die Zellmembran von Pilzen, Bakterien und behüllten Viren zerstören. Es steht daher herkömmlichen Desinfektionsmitteln in nichts nach, d.h. es wirkt funghizid, bakterizid und begrenzt viruzid (gegen behüllte Viren).
So wies im Frühjahr letzten Jahres eine in vitro-Studie nach, dass Monolaurin gegen Candida albicans - einen Karies und Windeldermatitis auslösenden Pilz - die gleiche gute Wirkung aufweist wie das klassische funghizide Mittel Fluconazol (Seleem D et al, 2016).
Ebenfalls konnte eine Vielzahl von Studien die Wirkung von Monolautin gegen bakterielle Infektionen nachweisen. Sogar gegen die gefährliche Erkrankung Borreliose verursachenden, durch Zecken übertragenen Bakterien Borrelia wirkte Monoalurin in vitro vergleichbar effektiv wie das Antibiotikum Doxicyclin (Goc A et al, 2015).
Auch in ein antiviraler Effekt von Monolaurin konnte vielfach nachgewiesen werden. So schützte die vaginale Anwendung von Monolaurin Rhesusaffen vor der Infektion mit dem menschlichen AIDS-Virus (HIV) vergleichbaren Virus (Li Q et al, 2009).

Kokosöl wirkt auch entzündungshemmend

Es wurde gezeigt, dass der Kokosöl-Inhaltsstoff Monolaurin die proinflammatorische (aktivierende) Immunantwort beeinflussen kann. In einer Kokultur von Mundschleimhautzellen (Fibroblasten) mit dem Pilz Candida albicans hemmte Monolaurin nicht nur die Pilze, sondern auch die Aktivität der Gene für die Zytokine IL-1a und IL-1ß (Seleem D et al, 2016).
Die Zytokine IL-1a und IL-1ß werden normalerweise von Monozyten, Makrophagen, Neutrophilen, Endothel-, Epithelzellen und Fibroblasten als erste, sog. angeborene Immunantwort auf das Eindringen fremder Erreger (z.B. Bakterien) in den Körper gebildet. All diese Zellen fungieren etwa ungefähr wie eine Grenzarmee: Epithelzellen kleiden die Barriere von außen zum Körperinneren aus. Endothelzellen stellen die Grenze zwischen Gewebe und Blutkreislauf dar. Fibroblasten sitzen verteilt im Bindegewebe, d.h. den Abgrenzungen von Organen zum restlichen Körper. Neutrophile, Monozyten bzw. Makrophagen patroullieren durch Lymphe und Blutsystem auf der unspezifischen Suche nach fremden Eindringlingen. Sie geben neben der Information über einen Fremderreger auch kostimulatorische Signale, d.h. den ersten Alarm an das Immunsystem weiter und setzen eine massive Signal- und Inflammations- (Entzündungs-)kaskade in Gang, die zur Aktivierung des adativen Immunsystems, der Differenzierung von B- und T-Zellen, der Sezernierung (Ausschüttung) von Immunglobulinen (Antikörpern) und schließlich zur Eliminierung des Erregers und ggf. der Bildung des immunologischen Gedächtnisses führt.
Hinter der Hemmung der IL-1-Produktion durch Monolaurin bei Kokultur von Fibroblasten mir dem Pilz Candida albicans liegt entweder ein Einfluß auf den Aktivierungsmechanismus dieser Gene vor oder dies ist lediglich das Ergebnis der Verminderung der Erregerzahl in der Kultur. Auf jeden Fall ist das Ergebnis gut, denn es zeigt, daß Kokosöl nicht nur die Pilzinfektion, sondern auch die zumeist schmerzhafte Abwehrreaktion des Körpers - die Entzündungsreaktion - hemmt (Seleem D et al, 2016).

Warum ist Kokosöl klassischen Desinfektionsmitteln vorzuziehen ?

Kokosöl ist der Vielzahl der Medizin zur Verfügung stehenden Antiseptika bzw. Desinfektionsmittel vorzuziehen, da es weder zu Antibiotikaresistenzen noch anderen Nebenwirkungen führt.
Hingegen kann der regelmäßige Gebrauch von chlorhexidinhaltigen Desinfektionsmitteln zu Kreuzresistenzen mit üblichen Antibiotika führen, d.h. dass z.B. Tetrazyklin dann nicht mehr gegen Salmonellen (Braoudaki M et al, 2004) oder z.B. Gentamycin nicht mehr gegen Streptokokken (Suller MTE et al, 1999) wirkt. Es ist daher zur vorbeugenden Mundhygiene sowie Behandlung bestehender Infektionen die Spülung mit einem natürlichen Mittel wie Kokosöl einer Behandlung mit chemischen Antiseptika unbedingt vorzuziehen.

Kokosöl wirkt blutdrucksenkend und nierenschonend

Bei Fütterungsstudien mit Ratten konnte ein blutdrucksenkender Effekt von Kokosöl im Vergleich zu Palmöl nachgewiesen werden. Auch diverse Parameter, die die Schädigung von Nieren, welche z.B. durch Bluthochdruck hervorgerufen werden kann, anzeigen, fallen hierdurch (fielen hierdurch signifikant besser aus: verringerte Stickstoffmonoxid-, erhöhte Hämoxygenasebildung (Kamisah Y et al, 2016). Vermutlich spielt hier man die antioxydante Wirkung von Kokosnussöl eine Rolle.

Quellen

Braoudaki M et al: Adaptive resistance to biocides in Salmonella enterica and Escherichia coli O157 and cross-resistance to antimicrobial agents. J Clin Microbiol, 2004. 42(1): p. 73-8 www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14715734


Clarke NM: Effect of antimicrobial factors in human milk on rhinoviruses and milk-borne cytomegalovirus in vitro. J Med Microbiol. 2000 Aug;49(8):719-23. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10933257


Goc A et al: In vitro evaluation of antibacterial activity of phytochemicals and micronutrients against Borrelia burgdorferi and Borrelia garinii. J Appl Microbiol. 2015 Dec;119(6):1561-72. doi: 10.1111/jam.12970. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26457476


Gunsalus KT et al: Manipulation of Host Diet To Reduce Gastrointestinal Colonization by the Opportunistic Pathogen Candida albicans. mSphere. 2015 Nov 18;1(1) www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27303684


Kamisah Y et al: Renoprotective effect of virgin coconut oil in heated palm oil diet-induced hypertensive rats. Appl Physiol Nutr Metab. 2016 Oct;41(10):1033-1038. Epub 2016 Jun 2. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27618413


Kaushik M et al: The Effect of Coconut Oil pulling on Streptococcus mutans Count in Saliva in Comparison with Chlorhexidine Mouthwash. J Contemp Dent Pract. 2016 Jan 1;17(1):38-41. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27084861

Li Q et al: Glycerol monolaurate prevents mucosal SIV transmission. Nature. 2009 Apr 23;458(7241):1034-8. Epub 2009 Mar 4. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19262509


Seleem D et al: In vitro evaluation of antifungal activity of monolaurin against Candida albicans biofilms. PeerJ. 2016 Jun 22;4:e2148 www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27366648


Shino B et al: Comparison of Antimicrobial Activity of Chlorhexidine, Coconut Oil, Probiotics, and Ketoconazole on Candida albicans Isolated in Children with Early Childhood Caries: An In Vitro Study. Scientifica (Cairo). Epub 2016 Mar 14 www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27051559


Suller MTE et al: Antibiotic and biocide resistance in methicillin-resistant staphylococcus aureus and vancomycin-resistant enterococcus. Journal of Hospital Infection, 1999. 43(4): p. 281-291 www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10658804